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ZEMA - Detailansicht für Ereignis vom 06.03.2012

Bezeichnung 2012-03-06 Freisetzung eines umweltgefährlichen Stoffes in einen Fluss aus einem Industriepark
Einstufung des Ereignisses Einstufung Anhang VI Teil1: I 3b
Ereignisdatum 06.03.2012

Anlagedaten

Anlagenart Industriepark
betroffener Anlagenteil Kühl- und Regenwasserkanal
Postleitzahl 84508
Ort des Ereignisses Burgkirchen
Bundesland / Land: Bayern
Betreiber: InfraServ GmbH & Co. Gendorf KG

Ereignisdaten

Art des Ereignisses Freisetzung (Wasser)
Datum / Zeit 06.03.2012 19:48 bis 07.03.2012 09:21
Ursache (Kategorie) Systemfehler / Auslegung
Betriebsvorgang Prozess

Beteiligte Stoffe

Stoffe CAS-Nr. Anhang 1 Nummer neu Stoffmenge in kg
Kat.: Umweltgefährlich (R50, 50/53), in Verbindung mit dem Gefahrenhinweis R 50 oder R 50/53
N,N-dimethyl-C12-C14-alkyl-amin (84649-84-3) Freigesetzter Stoff (Wasser)
9a 800,00

Auswirkungen innerhalb der Anlage

Verletzte Beschäftigte: 1 Einsatzkräfte: 3
Tote Beschäftigte: 0 Einsatzkräfte: 0
Art der Sachschäden Ja Kosten: 0 €
Art der Sachschäden Sachschaden an Anlage und Gebäude.
Art der Umweltschäden Nein Kosten: 0 €
Art der Umweltschäden

Auswirkungen ausserhalb der Anlage

Verletzte Beschäftigte: 0 Einsatzkräfte: 0 Bevölkerung: 0
Tote Beschäftigte: 0 Einsatzkräfte: 0 Bevölkerung: 0
Art der Sachschäden Nein Kosten: 0 €
Art der Sachschäden
Art der Umweltschäden Ja Kosten: 0 €
Art der Umweltschäden Fischsterben

Beschreibung des Ereignisses

Beschreibung des Ereignisses Beschreibung:
Am 06.03.2012 um 19.43 Uhr kam es in einen Industriepark zu einem Brand auf dem Dach eines Nitril-Amin-Betriebes (Betriebsbereich X) mit anschließender Kontamination des Flusses Alz durch die Betreibergesellschaft (Betriebsbereich InfraSerf Gendorf).

Auslöser:
Ereignisablauf im Nitril-Amin-Betrieb:
Durch eine Verbindungsleitung zwischen Filtrationseinheit und Abluftwäscher, die zur Druckentlastung der leeren Filtrationseinheit vorgesehen ist, gelangte ein flüssiges Reaktionsgemisch in den Abluftwäscher.
Der Großteil dieses Reaktionsgemisches, das in den Wäscher gelangte, lief über einen Überlauf des Wäschers in den betrieblichen Abwasserkanal und konnte im Fettabscheider des Nitril-Amin-Betriebes zurückgehalten werden (ca. 4700 kg).
Ca. 1000 kg* des Reaktionsgemisches traten über einen Abluftkamin des Wäschers auf das Dach des Nitril-Amin-Betriebes aus und gerieten dort in Brand (sehr wahrscheinlich durch Selbstentzündung am enthaltenen Kupfer (Cu)-Katalysator).

Beim anschließenden Feuerwehreinsatz gelangte ein großer Teil des anfallenden Löschwassers über die Dachentwässerung des Nitril-Amin-Betriebes, in einen Kühl- und Regenwasserkanal.
Durch Ausleiten dieses Kanals wurde das Löschwasser in einem Rückhaltebecken der zentralen Wasserrückhaltung (ZWR) gesammelt. Bis der Schieber zum Rückhaltebecken vollständig geschlossen war, gelangten ca. 8 kg Reaktionsgemisch gelöst in die Alz. Nach Beendigung des Feuerwehreinsatzes gelangten durch Verunreinigung in den Kanälen über 9 Stunden weitere ca. 100 kg Reaktionsgemisch gelöst über das Kühlwasser in die Alz.

In der Alz kam es über eine Länge von ca. 15 km zu einem Fischsterben.

3 Mitarbeiter der Werkfeuerwehr erlitten während des Löscheinsatzes bzw. den nachfolgenden Aufräumarbeiten Verätzungen und wurden jeweils ambulant behandelt.
Ein Mitarbeiter des Nitril-Amin-Betriebes, der den Brand festgestellt hatte, wurde vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht und dort über Nacht beobachtet, er wurde am nächsten Morgen ohne Befund entlassen.

*Die ausgetretenen ca. 1000 kg Produkt/Kupferkatalysator-Gemisch verteilen sich wie folgt:
- Ca. 200 kg wurden im Rückhaltebecken sichergestellt,
- ca. 108 kg wurden im Wasser gelöst in die Alz emittiert,
- die restlichen ca. 692 kg sind entweder verbrannt oder ebenfalls in die Alz verfrachtet worden.

Sicherheitsfunktion:
Auslösen des Anlagen-Aus im Betriebsbereich X, Beginn der Maßnahmen durch die Schaltwarte der Abwasserreinigungsanlage (Betriebsbereich InfraServ Gendorf).

Am 06.03.2012 um 18.53 Uhr wurde im Betriebsbereich X der sogenannte Trüblauf gestartet, d. h. das Rohamin wird solange von der Vorlage über den Filter im Kreis gepumpt, bis das Produkt klar ist und der nächste Produktionsschritt (Klarlauf) eingeleitet werden kann.
Um 19.19 Uhr öffnet ein Kugelhahn vom Filter zum Zentralwäscher. Dieser Kugelhahn ist nur für die Funktion Kuchenaustrag erforderlich und darf im Normalbetrieb nicht geöffnet werden. Die Funktion Kuchenaustrag wird nur 2 bis 3 Mal jährlich zum Zwecke der Filterreinigung durchgeführt.
Die Produktionsabläufe im Nitril-Amin-Betrieb werden über ein Prozessleitsystem (PLS) in sogenannten Schrittketten automatisch in der Messwarte gesteuert. Da der Kugelhahn als Schließventil konzipiert wurde, ist dessen Grund- bzw. Sicherheitseinstellung AUF (Nullstellung). Am Ende der Schrittkette Kuchenaustrag" wird der Kugelhahn wieder geschlossen. Diese Stellung ZU wird durch das PLS bis zur nächsten Aktivierung gehalten.
Im September 2011 wurde das PLS auf ein neues Programm umgestellt, das im Oktober 2011 in Betrieb ging. Seit Inbetriebnahme des neuen PLS bis zum Ereignis am 06.03.2012 wurde die Schrittkette Kuchenaustrag nicht aktiviert. Aufgrund der Umstellung des PLS war die Hintergrundinformation für den Kugelhahn (ZU) verloren gegangen. Dies hatte zur Folge, dass der Kugelhahn seine Grundstellung AUF in der Betriebsart Automatik einnahm.

Beim Start der Schrittkette Trüblauf wird durch das PLS u. a. abgefragt, ob der Kugelhahn geschlossen ist. Um den Kugelhahn zu schließen, wurde deshalb bei Inbetriebnahme des neuen PLS die Betriebsart von Automatik auf Hand umgestellt. Für den Kugelhahn sagte die vom Anlagenfahrer aufrufbare Betriebsartenübersicht zum o. g. Zeitpunkt SOLL= A (AUTOMATIK), IST= H (HAND). Statt eines grünen Buttons wie beim Automatikbetrieb zeigte die Betriebsartenübersicht einen roten Button mit dem Hinweis OK.
Obwohl die Schrittkette Trüblauf seit 18.53 Uhr störungsfrei lief, nahm der Anlagenfahrer den Kugelhahn auf Automatik und öffnete ihn dadurch. Eine Sicherheitsabfrage oder eine Sperrung des Kugelhahns im normalen Produktionsbetrieb gab es nicht.
Nach der Öffnung des Kugelhahns gingen in der Messwarte verschiedene Meldungen über ansteigende pH-Werte sowie Druck- und Temperaturanstiege ein.
Mit dem Öffnen des Kugelhahns sank der Druck im Filter spontan auf ca. 1,5 bar. Von diesem Druckniveau aus kam es zu einer Entspannung des Filters in den Abgaswäscher. Das Stoffgemisch gelangte in die Wäschervorlage (Volumen 2,5 m³) und füllte diese auf.
Die Wäschervorlage ist zur Atmosphäre hin offen, d. h. drucklos. Durch den Druck im Filter wurden die Wäschervorlage und der zugehörige Abgaskamin im Zeitraum von 19.19 Uhr bis 19.38 Uhr komplett aufgefüllt. Um 19.38 Uhr kam es zum Produktaustritt über den Kamin (Höhe 23,5 m) auf das Dach des Gebäudes und schließlich um 19.43 Uhr zur Entzündung des Produktgemisches.

Es ist davon auszugehen, dass das über den Kamin ausgetretene Stoffgemisch (ca. 1000 kg, Teilmenge verbrannt) ebenso über das Blechdach der Freianlage zum angebauten Gebäude (Dachrinne, Fallrohr) auf das tieferliegende Flachdach ablief, wie nachfolgend das Löschwasser-Stoffgemisch während des Einsatzes der Werkfeuerwehr. Von dort konnte es über das Stehrohr der Regenwasserableitung in den Kühl- und Regenwasserkanal (Betriebsbereich InfraSerf Gendorf) ablaufen.
Die Wäschervorlage hat einen freien Überlauf zum Fettabscheider. Eine Teilmenge von ca. 4,7 t des Stoffgemisches ist aus der Wäschervorlage über das betriebliche Abwassersystem zum Fettabscheider abgelaufen und wurde dort zurückgehalten. Der Fettabscheider wurde um 20.02 Uhr abgeriegelt, so dass ab diesem Zeitpunkt kein betriebliches Abwasser mehr zur zentralen Abwasserreinigungsanlage abgegeben wurde.
Laut Betriebsanweisung vom 04.11.2011 ist bei Produkteintritt in den Fabrikationsabwasserkanal der Fettabscheider sofort zu schließen. Über diesen Abfluss ist also bereits Stoffgemisch abgeleitet worden, bevor der Flüssigkeitsstand im Wäscher soweit gestiegen war, dass das Stoffgemisch über den Kamin austreten konnte. Auch während des Austritts über den Kamin lief weiterhin Stoffgemisch über den beschriebenen Weg Richtung Fettabscheider.
Über den Kühl- und Regenwasserkanal gelangte das Stoffgemisch bzw. das kontaminierte Löschwasser in die Alz. Dadurch kam es zu einem massiven Fischsterben und Schädigung der sonstigen Biologe in der Unteren Alz über eine Strecke von annähernd 15 Flusskilometern.

Ähnliche Ereignisse:
keine

Notfallmaßnahmen

Beschreibung der Notfallmaßnahmen Ergriffene Schutzmaßnahmen:
- Alarmierung der Werkfeuerwehr (06.03.2012, 19.43 Uhr)
- Prüfung der Mitarbeiter auf Vollzähligkeit
- Anlagen Not-Aus aktivieren (19.44 Uhr)
- Rückhalten des Löschwassers in der zentralen Wasserruckhaltung ab 19.56 Uhr
- Rückhalten des kontaminierten Kühlwassers ab 09.21 Uhr am 07.03.2012

Beseitigte Sachschäden:
Reinigungs- und Reparaturmaßnahmen

Beseitigte Umweltschäden:
Maßnahmen wuden in Abstimmung mit Behörden und Fischerei-Sachverständigen festgelegt. Neben der Schadensbehebung wurden durch eine Spende Gewässerstrukturmaßnahmen an der Alz ermöglicht, die eine Wiederansiedlung des Fischbesatzes ermöglichen.

Schlussfolgerung

Beschreibung der Schlussfolgerung Vorkehrungen zur Vermeidung:
Die im Folgenden aufgeführten Punkte stellen die Empfehlungen entsprechend § 19 Abs. 3 Nr. 3 StörfallV dar. Zum besseren Verständnis werden die jeweiligen Maßnahmen im Einzelnen kurz erläutert.

1. Trennung von Dachflächen, die bei Betriebsstörungen mit gefährlichen Stoffen verunreinigt werden können, von den Kühl- und Regenwasserkanälen.
Das Regenwassersystem der Dachflächen des vom Brandereignis betroffenen Gebäudes leitet nicht mehr in den Kühl- und Regenwasserkanal ein, sondern wurde mit Einverständnis des Wasserwirtschaftsamtes an das betriebliche Kanalsystem angeschlossen.
Entsprechende Maßnahmen für weitere Bereiche des Industrieparks bedürfen eines mit den Behörden abgestimmten Gesamtkonzepts.

2. Überwachung des TOC (total organic carbon)- Gehalts in den Kühl- und Regenwasserkanälen.
Die Messwerte der TOC-Überwachung des Kühl- und Regenwasserkanals Süd werden aus technischen Gründen ca. 5 Minuten zeitverzögert angezeigt. Diese Zeitverzögerung wird nunmehr dadurch kompensiert, dass bei Ansprechen der TOC-Überwachung am oberen Schieber gleichzeitig der untere Schieber geschlossen wird, der direkt vor der Einleitstelle in die Alz positioniert ist. Unter Berücksichtigung der Laufzeit des Wassers bleibt damit ausreichend Zeit, durch Schließen des unteren Schiebers ggf. verunreinigtes Wasser aufzufangen, das zuvor den oberen Schieber bereits passiert hat.
Auch im Kühl- und Regenwasserkanal Ost wird der Messwert der TOC-Überwachung aus technischen Gründen ca. 5 Minuten zeitverzögert angezeigt. Derzeit wird überprüft, ob an vorgelagerter Stelle eine zusätzliche TOC-Messung installiert werden kann.

3. Freigabe der ggf. kontaminierten Kanäle durch die Werkfeuerwehr erst nach entsprechenden Analysen.
Um zu vermeiden, dass nach Feuerwehreinsätzen möglicherweise in den Kanalsystemen anhaftende Produktreste mit dem Kühlwasser in die Alz gelangen, werden die Kanäle nach Beaufschlagung mit fischtoxischen bzw. allgemein umweltgefährdenden Stoffen künftig erst freigegeben, wenn analytisch die Produktfreiheit nachgewiesen ist.

4. Präzisierung der Betriebsanweisungen und Schulung des Personals der Abwasserreinigungsanlage.
Für die Mitarbeiter der Abwasserreinigungsanlage werden die getätigten technischen und organisatorischen Maßnahmen in einer präzisierten Betriebsanweisung festgehalten. Die Mitarbeiter der Kläranlage werden zweimal jährlich unterwiesen und geschult. Bei der jüngsten Unterweisung wurde erneut darauf hingewiesen, bei welchen Grenzwerten Maßnahmen umzusetzen sind und in welcher Abfolge Schieber im Gefahrenfalle zu betätigen sind.

5. Verkürzung der Schließzeit von Schiebern im Kühl- und Regenwasserkanal.
Der Kanalstrang, der durch den oberen Schieber abgesperrt wird, hat einen Durchmesser von 1,2 m.
Bei regulärem Wasserstand werden nur ca. 10-15 % dieses Querschnitts benötigt. Der Schieber ist in Grundstellung nunmehr so eingestellt, dass nur der tatsächlich benötigte Querschnitt freigegeben wird. Dies verkürzt die Schließzeit des Schiebers.

6. Überprüfung der Löschwasserrückhaltung.
Die örtliche Löschwasserrückhaltung der Anlage wurde entsprechend der dafür geltenden Regelwerke überprüft.
Die Anlage - Zentrale Wasserrückhaltung entspricht dem Stand der Technik. Es konnten keine Abweichungen von den Anforderungen aus dem geltenden Regelwerk festgestellt werden.
Dennoch sind derzeit weitere Untersuchungen hinsichtlich einer technischen Optimierung der Anlage, insbesondere im Hinblick auf Stoffe, die unlöslich und leichter als Wasser sind, im Gange.

7. Entkoppeln des Kühlwassers von umweltgefährdenden Produkten.
In der Anlage wurde an allen Stellen, an denen Stoffe mit einer Fischtoxizität von ? 0,1 mg/l durch Wasser gekühlt werden, auf Entkoppelung (Primär/Sekundär-Kreislauf) oder Kreislaufkühlung umgestellt.

8. Werkweite Überprüfung der vorhandenen Sicherheitseinrichtungen.
Alle Betriebe im Industriepark werden auf der Basis des vorhandenen Stoffinventars erneut geprüft und bewertet. Die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen werden abhängig von den Erkenntnissen auf den Prüfstand gestellt. Falls erforderlich, werden zusätzliche Maßnahmen festgelegt.

9. Überprüfung weiterer Mess- und Überwachungsmethoden.
Es wird geprüft, ob über den Stand der Technik hinaus Messtechnik existiert, mit der eine noch bessere Beprobung des fließenden Kühlwassers bei wechselndem Wasserstand ermöglicht wird.

ausgewertete Unterlagen

ausgewertete Unterlagen Mitteilung nach § 19 Abs. 2 Störfall-Verordnung; Bericht des Landratsamtes Altötting
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