AS-ER - Detailansicht für das Ereignis mit der Bam-Nr.: 151
Titel | Schwefelwasserstoff-Freisetzung in einer Biogasanlage |
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I. Anlagedaten
I.1 Anlagenkurzbeschreibung | Biogasanlage mit den zwei Bereichen: 1. Gaserzeugung, -lagerung und -verwertung und 2. Materialannahme und -aufbereitung Es werden bisher ausschließlich Ko-Fermente in Form von biologischen Abfällen und tierischen Nebenprodukten eingesetzt. Die Materialannahme erfolgt über 3 Zugänge: A Sortierung, B Speiserestannahme, C Grube |
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I.2 Anlagenart | 4. BImSchV Anhang 8.6 Spalte 1 Verwertung und Beseitigung von Abfällen und sonstigen Stoffen |
I.3 Wesentliche Rechtsgrundlagen | BImSchG; BetrSichV |
II. Ereignis
II.1 Art des Ereignisses | Freisetzung |
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II.2 Ereignisablauf | Die Grube verfügt über eine 4m² große Klappe, die für die Anlieferung fester Stoffe geöffnet wurde. Flüssige Stoffe werden bei geschlossenem Deckel über einen Rohrstutzen in die Grube gefüllt. Am Vortag des Unfalls ging der Motor, der den Deckel öffnet und schließt kaputt und die Reparatur sollte am Unfalltag 8:00 durchgeführt werden. Um 6:00 wurde mit der Entladung eines bereits wartendenden LKWs mit chem. behandeltem Schweinedarmschleim aus einem Pharmaziebetrieb begonnen. Der Schlauch wurde, da der Deckel offen stand, direkt in die Grube gehängt. Der Fahrer (1), der Betriebsleiter und zwei Mitarbeiter gingen in den Pausenraum. Ein weiterer LKW fuhr auf das Betriebsgelände, der Fahrer (2) ging ebenfalls direkt in den Pausenraum. Gegen 6:20 gingen alle, bis auf den Fahrer (2), in die Betriebshalle. Wenige Augenblicke später rief Fahrer (1) Fahrer (2) zur Hilfe. Der Betriebsleiter lag neben der Grube leblos am Boden. Die Fahrer versuchten zu retten, merkten aber, daß sie selbst Atemprobleme bekamen. Sie versuchten aus der Halle zu laufen. Fahrer (2) gelang dies, Fahrer (1) brach in der Halle zusammen. Fahrer (2) alarmierte die Rettungskräfte. Der Betriebsleiter und ein Mitarbeiter starben noch an der Unfallstelle; Fahrer (1) und eine weitere Mitarbeiterin wurden reanimiert, verstarben jedoch später im Krankenhaus. Fahrer (2) war schwer verletzt. |
II.3 Gefahrenabwehr |
II.4 Beteiligte Stoffe
Stoffe | CAS-Nr. | UN-Nr. | R-Satz |
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Schwefelwasserstoff | 7783-06-4 | 1053 | R: 12,26 |
II. weitere Daten
II.5 Datum | 2005 |
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II.6 Auswirkungen | Die Feuerwehr hat erhebliche Mengen an Schwefelwasserstoff (bis zu 5000 ppm) festgestellt. 4 Tote, 1 Schwerverletzter, mehrere leichtverletzte Rettungskräfte |
III. Ursachenanalyse
III. 1 Unmittelbare Ursachen | Die Grube verfügt über eine Absaugung, die auch funktioniert hat, aber nicht für solche Mengen an gefährlichen Gasen ausgelegt war. Sie sollte lediglich die Geruchsbelastung in der Halle mindern. Bei komplett geöffnetem Deckel war sie nur sehr eingeschränkt wirksam. Bei geschlossenem Deckel hätte es mehrere Stunden gedauert, die Konzentration an Schwefelwasserstoff auf einen ungefährlichen Wert zu reduzieren. Schweinedarmschleim wird mit einem Konservierungsmittel versetzt und zur Gewinnung von Heparin verwendet. Dabei verringert sich die Masse nur um 1 %. Laut Gutachten hat sich der Schwefelwasserstoff im Schweinedarmschleim durch biochemischen Abbau gebildet. Dieser wurde während des Entladevorgangs aus dem Material heraus in die Halle getrieben. Gefördert wurde dieser Prozess durch die Temperatur des Materials (ca. 60° C), die in der Grube laufenden Rührwerke und den offenen Grubendeckel. In der Grube befand sich zum Zeitpunkt der Entladung wahrscheinlich noch Material (Molkekonzentrat. Abfälle aus Tiergewebe), das am Vortag angeliefert worden war. Dieses Material muss einen niedrigen pH-Wert gehabt haben. Das ergibt sich aus dem pH-Wert des gemischten Materials in den weiteren Aggregaten. Dies pH-Wert-Verschiebung hat die Entstehung des Schwefelwasserstoffes zwar gefördert, hat aber eher einen geringen Anteil an der Gesamt-Schwefelwasserstoff-Bildung. |
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III. 2 verdeckte Ursachen / Managementfehler |
IV. Schlussfolgerungen und Maßnahmen
IV. 1 Maßnahmen des Anlagenbetreibers | |
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IV. 2 Maßnahmen der Behörde | In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft wurden technische Massnahmen angeordnet und zum Großteil bereits umgesetzt. Rührwerke und Deckel sind so miteinander verriegelt, dass die Rührwerke nur bei geschlossenem Deckel betrieben werden können. Für flüssige Stoffe wurden zwei neue Anschlüsse geschaffen, die das Material direkt in die Rohrleitung führen ohne Umwege über die Grube. Die Lüftungsanlage wurde optimiert. Es wird ein Gaswarngerät installiert. Vermischungen von Materialien in der Grube werden bis auf wenige genau festgelegte Ausnahmen vermieden. In der Grube findet keine Zwischenlagerung (über Nacht, am Wochenende) mehr statt. Verzicht auf die Verwendung von Darmschleimen. Schulungen. |
V. Erkenntnisse und Empfehlungen der SFK
V. 1 Merkblätter | Merkblätter für Biogasanlagen erstellen |
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VI. Quellen
VI. Quellen | Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven; LANUV NRW |
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VII. Deskriptoren
I Anlagentyp | Grube 4. BImSchV Anhang 8.6 Spalte 1 Verwertung und Beseitigung von Abfällen und sonstigen Stoffen |
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Anlagenteil | Grube |
Komponente | |
II Verfahren | diskontinuierlicher Betrieb |
Betriebsvorgang | bestimmungsgemäßer Betrieb |
Betriebszustand | Rühren |
III unmittelbare Ursache | Komponentenversagen |
Zersetzung | |
verdeckte Ursache | unerwartetes Stoffverhalten |
unzureichende sicherheitstechnische Auslegung | |
Managementfehler | Identifizierung und Bewertung von Gefahrenpotentialen |
unzureichende sicherheitstechnische Auslegung |